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Mobile Maschinen 1/2018

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SPECIAL I MOBILHYDRAULIK

SPECIAL I MOBILHYDRAULIK „Das Bindeglied zwischen virtueller und realer Welt“ Interview über das Potenzial elektronifizierter Mobilhydraulik Bernd Schunk leitet den Vertrieb der Business Unit Mobile Hydraulics bei Bosch Rexroth. In dieser Position gestaltet er die Entwicklung der Branche hinsichtlich Elektrifizierung und Elektronifizierung aktiv mit. Wir sprachen mit ihm über die Trends der Agritechnica, aber auch über Zukunftsvisionen in Sachen Mobilhydraulik. Herr Schunk, Sie leiten den Vertrieb der Business Unit Mobile Hydraulics bei Bosch Rexroth. Wie kamen Sie in diese Position? Nach dem Maschinenbau-Studium an der TU Aachen habe ich im Anlagenbau zunächst praktische Erfahrungen rund um die Hydraulik gesammelt. Anschließend betreute ich in Leitungspositionen im Vertrieb verschiedene Branchen in der Hydraulik und den Aufbau eines technologieübergreifenden Service. Seit 2010 bin ich für den weltweiten Vertrieb sowie das Branchen- und Produktmanagement der Mobilhydraulik der Bosch Rexroth AG verantwortlich. Welche Themen treiben Sie im Moment um? Auf absehbare Zeit prägen drei Megatrends den Markt der mobilen Anwendungen: Hersteller wie Anwender setzen auf eine höhere Effizienz, die Digitalisierung der Fahrzeuge und ihrer Funktionen sowie mehr Sicherheit, beispielsweise durch Assistenzsysteme. Diese Trends erfordern eine elektronifizierte Mobilhydraulik und eine umfassende Vernetzung im Fahrzeug sowie mit dem Internet der Dinge. Als Teil der Bosch-Gruppe hat Bosch Rexroth hier eine sehr gute Ausgangsposition. Gemeinsam mit unseren Kollegen aus den anderen Geschäftsbereichen beschäftigen wir uns intensiv mit der Vernetzung von Mobilhydraulik mit digitaler Regelungstechnik, der Motorelektronik und der Sensorik. Welche Trends haben Sie auf der Agritechnica in Sachen Hydraulik ausmachen können? Bereits 2019 treten in Europa mit der Stage V nochmals verschärfte Emissionsgrenzwerte in Kraft. Abgasnachbehandlung und innermotorische Maßnahmen allein reichen nicht mehr aus, um diese Vorgaben bei mindestens gewohnter Leistung zu erreichen. Darum betrachten immer mehr Hersteller das Gesamtsystem und nutzen die Potenziale elektronifizierter Mobilhydraulik. So ermöglicht beispielsweise die nächste Generation von Hydrauliksystemen mit unserem e-Load-Sensing ein umfassendes Maschinenmanagement von Traktor plus Anbaugerät. Sie optimiert die Abstimmung des Traktors mit den Anbaugeräten und gleicht Leitungsverluste im System aus. Das steigert die Energieeffizienz und trägt zu geringeren Emissionen bei. Solche Systemlösungen sind übrigens nicht mehr nur der Premiumklasse vorbehalten. Wir sehen einen starken Trend der Elektronifizierung gerade in der Mittelklasse und sogar bei kleinen Traktoren in 14 Mobile Maschinen 1/2018

Anbaugerät Traktor MOBILHYDRAULIK I SPECIAL Schwellenländern. Mit der elektrohydraulischen Hubwerksregelung EHC-8 bieten wir etwa eine Systemlösung speziell für das Leistungssegment bis 80 PS. Unsere Entwickler in Deutschland und Indien haben dazu eine sehr robuste Lösung entwickelt, die auch bei extremen Wetterbedingungen, von Monsunregen bis Staubstürmen, zuverlässig arbeitet. Elektronifizierung und Elektrifizierung der mobilen Arbeitsmaschine sind in aller Munde. Wie begegnen Sie dieser Entwicklung? Wir gestalten diese Entwicklung aktiv. Die Hydraulik bietet einzigartige physikalische Vorteile wie eine hohe Kraftdichte, aufgelöste Bauweise und Robustheit. Das gilt es, zu erhalten und in moderne Konzepte zu übertragen. Wir verlagern bereits seit Jahren bislang hydromechanisch über Ventiltechnik und Pumpenregler gesteuerte Funktionen in die Software dezentral intelligenter Steuergeräte. Das verringert den Hardwareaufwand erheblich. Gleiche Baugruppen mit identischen Komponenten können unterschiedlich programmiert und parametriert werden, um verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Dazu haben wir das Bosch Rexroth Design and Application System (BODAS) entwickelt. Kern von BODAS sind frei programmierbare Steuergeräte. Sie basieren auf Bosch Automotive Technologie und sind speziell für den Einsatz im Bereich der Hydrauliksteuerung angepasst. Die nächste Generation unserer Steuergeräte haben wir im letzten Jahr auf der Agritechnica vorgestellt. Sie verbindet bewährte Eigenschaften wie eine freie Programmierbarkeit mit einer neuen Hardware-Architektur und einem zukunftssicheren Softwarekonzept. Wie verändert die Elektronifizierung den Einsatz von Mobilhydraulik? Die Digitalisierung und das Internet der Dinge entwickeln sich rasend schnell und eröffnen völlig neue Möglichkeiten. Viele Hersteller von Landwirtschaftsmaschinen arbeiten bereits sehr intensiv an Themen wie Precision Farming oder Predictive Maintenance. Die elektronifizierte Mobilhydraulik ist das Bindeglied zwischen der virtuellen Welt der Daten in der Cloud und der realen Welt der mobilen Arbeitsmaschinen. Praktisch: Derzeit müssen Fahrzeuge noch in die Werkstatt, wenn es darum geht, Fehler zu finden oder neue Funktionen einzurichten. Zukünftig erfolgt das drahtlos, während die Fahrzeuge in der Maschinenhalle des Anwenders stehen. Hersteller senden „over the air“ Updates an Arbeits- und Fahrhydraulik, installieren neue Funktionen oder lesen Betriebsdaten aus, um Verschleiß zu erkennen, bevor er zu einem Ausfall führt. Macht die Elektronifizierung die Mobilhydraulik weniger robust und komplizierter? Im Gegenteil. Die Verfügbarkeit steigt. Überlegen Sie, was es kostet, wenn ein Mähdrescher während des Ernteeinsatzes ausfällt: Es werden Zuschläge für Notfall- Service und Ersatzteillieferungen fällig. Die Maschine steht für Stunden still. Wenn dann noch ein Unwetter droht, wird es richtig teuer. Hier setzen wir mit der Dienstleistung PredictDrivetrain an. Sie erkennt anhand von Betriebs- und Sensordaten Verschleiß an der Hydraulik und kann die Restlebensdauer bestimmen. Rechtzeitig vor einem Maschinenausfall warnt die PredictDrivetrain-App dann einen definierten Personenkreis. Wartungsmaßnahmen sind so rechtzeitig planbar, ein Stillstand im Feld wird verhindert. Diese Daten können mehrfach genutzt werden, etwa um Informationen über reale Belastungen der gesamten Mechanik im Einsatz zu sammeln. Die so gewonnenen Erkenntnisse helfen Konstrukteuren, alle Bauteile noch zielgerichteter zu dimensionieren. Darüber hinaus können Hersteller beispielsweise bei der Montage und Inbetriebnahme der Fahrzeuge viel Zeit sparen, weil Rexroth individuelle Prüfstanddaten der einzelnen Bauteile und Module digital zur Verfügung stellt. Die Mitarbeiter an der Montagelinie kopieren sie einfach in die entsprechenden Steuerungen, ohne selbst aufwändig kalibrieren zu müssen. Welchen Beitrag leistet die Hydraulik zu mehr Sicherheit? Ein wichtiges Zukunftsfeld für Anwender sind Assistenzsysteme für mehr Sicherheit. Sie helfen, gefährliche Situationen zu vermeiden, bevor sie entstehen. Im Rahmen der Elektronifizierung entwickeln wir hier gemeinsam mit weiteren Bosch-Geschäftsbereichen und Kunden solche Assistenzsysteme, etwa für das Bremsen oder Anfahren bei schwierigen Bodenverhältnissen. Das verringert die Unfallgefahr und reduziert den Schulungsbedarf für die Fahrer. Für die Realisierung solcher Assistenzsysteme steht Maschinenherstellern ein einzigartiges Portfolio aus einer Hand zur Verfügung: von Sensoren über elektronifizierte Hydraulikkomponenten und elektrische Steuergeräte bis hin zu sicheren Software-Modulen und einer Cloudbasierten IT-Infrastruktur. www.boschrexroth.de e-Load-Sensing Ventile Anbaugerät Volumenstrom Anforderung ISOBUS Hydraulisches LS-Signal Zusatzventile Volumenstrom Anforderung 01 Das e-Load-Sensing passt sich flexibel den individuellen Anforderungen an Druck, Ölstrom und Reaktionszeit jedes einzelnen Anbaugerätes an Triebwerk Verstellpumpe Schwenkwinkelsensor (optional) Elektrisch gesteuerter Pumpenregler 02 Prinzipaufbau des e-Load-Sensing Digitales LS-Signal ECU mit Funktions-Software • Unabhängiges ∆p • Leistungsbegrenzung • Druck • Dynamik • ... Mobile Maschinen 1/2018 15

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